„Dienststelle der DVP Blumberg“

Die „Dienststelle der DVP Blumberg“ der 'Kasernierten Einheiten des Ministeriums des Innern' [MdI] der DDR wurde unter Wahrung strengster Geheimhaltung wahrscheinlich ab dem Jahr 1976 aufgestellt und dem Ersten Stellvertreter des Chef des Stabes im MdI unterstellt.
Ihre Aufgabe war die Unterstützung des Baus, die technische Betreibung und die Sicherung der Ausweichführungsstelle des Ministers des Innern der DDR, Armeegeneral Friedrich Dickel, mit seinem Stab (ca. 300 Personen) für den Fall einer Mobilmachung. In den Schutzbauwerken war die geschützte Unterbringung von ca. 200 Personen vorgesehen.

Der Minister des Innern führte nach Auslösung der Mobilmachung aus diesen Schutzbauwerken die Chefs der Bezirksbehörden der DVP (BDVP) zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Gewährleistung der Operationsfreiheit der Streitkräfte im Rahmen seiner Möglichkeiten, die Bekämpfung bzw. Vernichtung gegnerischer Spezialaufklärungskräfte und von Banden und die Sicherung wichtiger Objekte. Die Chefs der BDVP's waren ab diesen Zeitpunkt Mitglieder der Bezirkseinsatzleitungen, geführt von den 1. Sekretären der Bezirksleitung der SED.
Jedem Chef der BDVP hätte neben den Angehörigen der Dienstzweige in der VP-Kreisämtern, den Hundertschaften der Zentralen Kräfte Schutzpolizei, aufgefüllt mit Reservisten der NVA, mindestens eine VP-Bereitschaft und eine Sicherungs-Kompanie für seine Ausweichführungsstelle zur Erfüllung der Aufgaben zur Verfügung gestanden. Nach Mobilmachung hätte es 30 VP-Bereitschaften gleicher Stärke und Waffenbestand, 4-5 Sicherungs-Bereitschaften, eine Brigade für Berlin (6.000 Mann), 40 Einsatz-Kompanien der TraPo, die Nachrichten-Bereitschaft (Regiment), die Dienststelle Blumberg (Regiment) sowie die 9. VP-Kompanie (Anti-Terror-Einsatz) und die 10. VP-Kompanie (Sicherstellung) gegeben.

Beschlüsse des Nationalen Verteidigungsrats der DDR [NVR]

Der NVR beschloss auf seiner 30. Sitzung am 23. Oktober 1967 u.a. unter Punkt 2. Den Entwurf einer Direktive des Politbüros des ZK der SED zur Gewährleistung der einheitlichen Arbeit der Partei-, Staats- und Wirtschaftsorgane im Verteidigungszustand (DVW 1/39487). In der Anlage 2: gab es ein Schema der Hauptführungsstellen.
In der 35. Sitzung am 12. November 1968 wurde unter Punkt 4. Die Konzeption über die Vorbereitung geschützter zentraler Führungsstellen der DDR im Verteidigungszustand bestätigt (DVW 1/39492)
Anlage 3: Zusammenstellung der Kosten des Programms (geplant)
- Ministerium für Staatssicherheit 135,0 Millionen Mark
- Ministerium für Nationale Verteidigung 93,9 Millionen Mark
- Ministerium des Innern 45,0 Millionen Mark (verbaut 58 Millionen Mark)

In der 45. Sitzung des NVR am 03. Mai 1974 unter Punkt 1. Beschluss zur Konzeption für die Errichtung geschützter Führungsstellen im Zeitraum 1976 bis 1990 zur Gewährleistung der politischen, militärischen, staatlichen und wirtschaftlichen Führung der DDR im Verteidigungszustand (DVW 1/39503).

Aufstellung

Innerhalb der Kasernierten Einheiten des MdI wurde wahrscheinlich ab 1973 mit den Vorbereitungen zur Aufstellung einer Einheit für die Ausweichführungsstelle des Ministers des Innern der DDR und seinem dafür vorgesehenen Stab begonnen. Zunächst begann Oberst der VP Johannes Wahner und drei weiteren Offizieren mit der Planung und Organisation der später so genannten „Dienststelle der DVP Blumberg". Nachdem dies abgeschlossen werden konnte begann die Zukommandierungen von Offizieren, Unterführern und 18-Monate-Wehrpflichtigen aus allen VP-Bereitschaften. Fachkräfte, deren Einsatzprofil in den Kasernierten Einheiten nicht vorhanden war, kamen aus Organisationseinheiten des Ministeriums des Innern. Die Grundwehrdienstleistenden hatten überwiegend einen Bauberuf und wurden nach der Grundausbildung im Juni bzw. Dezember jeden Jahres in die Sicherungseinheit der Dienststelle versetzt. Der Aufwuchs war im Jahr 1985 abgeschlossen. Zeitgleich erfolgte die Verlegung des Stabes, der Betreiber- und der Nachrichten-Einheit aus der Kaserne für die Sicherungseinheit zum Objekt 7001 in Freudenberg. Das Objekt 7001 wurde von der Unterkunftsabteilung 2 des Verteidigungsministeriums im Sommer 1985 übernommen.

Struktur

Nach dem Stellenplan I gab es 129 Offiziere, 199 Berufs- und Unterführer auf Zeit und 285 Wehrpflichtige im Grundwehrdienst in einer Gesamtstärke von 613 Männer und Frauen. Außerdem gab es einen Partei- und einen FDJ-Sekretär.

Wesentliche Einheiten und Bereiche der Dienststelle waren die Sicherungseinheit zur Bewachung der Objekte und Gestellung von Baukräften, die Einheit Stellvertreter des Leiters zum technischen Betrieb und Wartung der Ausrüstung in den Schutzbauwerken, die Nachrichten-Einheit für die Bedienung der Nachrichten- und Kommunikations-Ausrüstung in den Objekten 7001 und 7011 und die Operative Aufklärungsgruppe mit KriPo-Offizieren zur Überwachung des Umfeldes sowie die dem Leiter direkt unterstellte Fachoffiziere.

Das für die Sicherheitsüberwachung des Personalbestandes zuständige Referat 4 der Abteilung 1 aus der Hauptabteilung VII des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) war mit 5 Offizieren vor Ort tätig. (In den VP-Bereitschaften gab es jeweils nur einen MfS-Offizier)

Der Stab
bestand aus dem Stab operativ, dem Bereich Sicherheit und dem Bereich Organisation.

  • Der Stab operativ, geführt vom Stellvertretenden Stabschef, plante und kontrollierte den täglichen Dienstablauf, erarbeitete Unterlagen und organisierte das Zusammenwirken.
  • Der Bereich Sicherheit mit Ausweisbüro, geführt vom Leiter Sicherheit des Stabes, stellte nach Abstimmung mit dem MfS die Zutrittsdokumente für die jeweiligen Dienstbereiche aus und überwachte die Einhaltung der festgelegten Geheimhaltungsbestimmungen.
  • Der Leiter Organisation plante die Kräfte für den Übergang zur Mobilmachung, stimmte halbjährlich mit dem Stab Org im MdI zugewiesene Reservisten namentlich ab, nahm Einfluss auf Lagerung und Wartung von eingelagerten Waffen, und erstellte abweichend von üblichen funktionellen Pflichten nach Vorgaben des 1. Stellvertreters des Chef des Stabes die Einsatzdokumente für den Verteidigungszustand.

Das Politorgan
der Dienststelle, der Stellvertreter für politische Arbeit des Leiters und sein Stellvertreter, organisierte und überwachte die politische Arbeit.

Die Versorgungsdienste
unterteilten sich in den Bereich Kraftfahrzeugwesen und Bewaffnung, dem medizinischen Dienst, dem Bereich Unterkunft (Objekthandwerker, Wasserwerke und Heizhäuser), dem Bereich Quartiernutzung, einschließlich zweier Verkaufsstellen, Friseur und Schneiderin, und in den Bereich Bekleidung und Ausrüstung.

Die Sicherungseinheit
hatte die Struktur einer VP-Bereitschaft ohne deren 4. Kompanie, aber mit Flak-Zug, und ohne 5. Kompanie, aber mit Pionierzug.
Sie bestand aus einem Stab und vier Kompanien. Sie sicherte die Objekte und stellte für Sicherstellung und Bau Kräfte bereit. Die 1. und 2. Schützen-Kompanie verfügte jeweils über drei Schützenzüge. Die 3. Kompanie besaß nur einen Schützenpanzerwagen-Zug mit PSH, mit eingegliedertem Flak- und Pionier-Zug. Die 4. Kompanie hatte einen Transport-, einen Heizer- und einen Koch-Zug.
Die Bewachung der Objekte erfolgte durch eine Schützen-Kompanie durchgängig eine Woche lang. Die jeweils andere Kompanie führte Ausbildung durch. Je ein Halbzug des Heizer- und des Koch-Zuges war im AO und SO eingesetzt.

Die Einheit Stellvertreter des Leiters
betrieb die Anlagen und Führungstechnik in den Schutzbauwerken in einem ständigen diensthabenden System. Sie bestand aus Stab, Bereich Technik für Wartung und Instandsetzung, Bereich Eigenleistung für den Bau, Bereich Nachrichten, Bereich diensthabendes System, EDV-Abteilung und Offizier Versorgungsdienste. Ihre Aufgabe war die Gewährleistung der technischen Einsatzbereitschaft der Führungsstelle rund um die Uhr (Strom-, Wasser- und Luftversorgung). Der EDV-Bereich verfügte über zum damaligen Zeitpunkt modernste Personalcomputer (A-5120, PC-1715, EC-1834).

Die Nachrichten(technische)-Einheit
betrieb die Nachrichtentechnik in den Kasernen und in den Schutzbauwerken. Sie bestand aus Objekt- und Funknachrichtenzentrale sowie VS-Stelle. Zunächst dem Stabschef unterstellt wurde sie um 1985 dem Leiter der Dienststelle unmittlbar unterstellt. Die Angehörigen bedienten in den Schutzbauwerken die Drahtnachrichten- und Chiffriertechnik und sicherten den Betrieb des Rundfunk- und Fernsehstudios. Aus der geschützten Nachrichtenzentrale (Objekt 7011 bei Tuchen-Klobicke) war vorgesehen Richtfunk- und Funkstationen fernbedient zu betreiben.

Die Operative Aufklärungsgruppe
war Bestandteil der Struktur der Dienststelle mit 5 Offizieren der Kriminalpolizei und diente zur Überwachung des örtlichen Umfeldes. Ihr war das Betreten der Dienststellenobjekte untersagt. Leiter dieser Gruppe war, wie inzwischen bekannt ist, ein Offizier im besonderen Einsatz des MfS (OibE; Major der VP Dieter M.). Nach: Tobias Wunschik: Hauptabteilung VII: Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei. Hg. BStU. Berlin 2009

Lage der Objekte

Dienststelle Blumberg

Die Kaserne für die Sicherungseinheit und Versorgungsdienste, bezeichnet als „Ausbildungsobjekt“ (AO), befand sich bei Gielsdorf am Forsthaus Heidekrug im Gamengrund.
Der Leiter der Dienststelle mit seinen unmittelbar unterstellten Fachoffizieren, der Stab, die Einheit zum technischen Betrieb und die Einheit zur nachrichtentechnischen Sicherstellung befand sich ab Mitte 1985 in der Kaserne in Freudenberg. Sie wurde „Schulungsobjekt“ (SO) genannt. In einem besonders deklarierten Bereich befanden sich die über Tunnel miteinander verbundenen Bunker (Objekt 7001).
Weiterhin gehörte zur Dienststelle eine geschützten Nachrichtenzentrale nördlich von Tuchen-Klobbicke, bezeichnet als „Ausbildungsgelände“ (Objekt 7011).

Maßnahmen zur Geheimhaltung

Jedes Objekt der Dienststelle befand sich in einem anderen Kreis.
- das Objekt 7007, ursprünglich als Ausweichführungsstelle geplant und bekannt als Objekt 025 war im Kreis Bernau;
- das Objekt 7001, Ausweichführungsstelle in Freudenberg und bekannt als Schulungsobjekt im Kreis Bad Freienwalde;
- das Objekt 7011, verbunkerte Nachrichten-Zentrale nördlich Tuchen-Klobbicke und bekannt als Ausbildungsgelände im Kreis Eberswalde;
- das Objekt Heidekrug, Kaserne der Sicherungseinheit und bekannt als Ausbildungsobjekt im Kreis Strausberg;
Die 1. Sekretäre der SED-Kreisleitungen, die auch Leiter der Kreiseinsatzleitung waren, sollten nur Kenntnis über eines der Objekte erhalten!

Zur glaubhaften Legendierung gegenüber Angehörigen des MdI belegte die Dienststelle zwei Dienstzimmer im VP-Objekt in der Ortschaft Blumberg.

Alle Angehörigen wurden erst nach einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung durch das MfS in die Dienststelle versetzt. Nach einmonatiger Grundausbildung in den VP-Bereitschaften erfolgte die Zuversetzung ausgewählter Wehrpflichtige mit Bauberufen im Juni bzw. Dezember jeden Jahres in die Dienststelle.

Die Wehrpflichtige erhielten keinen Ausgang, aber alle zwei Wochen Urlaub. Zum Bahnhof Strausberg-Nord bzw. Berlin gefahren und abgeholt mit Bussen der Dienststelle. Für die Offiziere und Berufsunterführer gab es wochentäglich Linienverkehr mit diesen Bussen aus den Wohngebieten in Strausberg, Bernau und Berlin. Zwischen den Objekten fuhren zu Dienstbeginn und -ende und zur Mittagszeit.

Die Wohngebiete waren in Strausberg Annatal, Strausberg Stadt, Berlin, Bernau und geplant ab 1990 in Eberswalde. Die Wohnblöcke gehörten der Dienststelle. Zu diesen Zweck besaß die Dienststelle 5 Ikarus-Busse.

Handlung nach Auslösung der Mobilmachung

Im Stellenplan II waren nach Auslösung der Mobilmachung 1.066 Personen geplant. Die geplanten 493 Berliner Reservisten sollten im Ausbildungsobjekt empfangen, eingekleidet und ausgerüstet und den Struktureinheiten zugeteilt werden.

Formierung der Einheiten

Nach Auslösung der Mobilmachung war geplant, die Nachrichtentechnische-Einheit auszugliedern und vor Ort dem Leiter Nachrichten im Stab des MdI, Generalmajor Bauer, gemeinsam mit der Nachrichten-Bereitschaft zu unterstellen.

Aus zugeführten Reservisten war die 3. und 4. Schützen-Kompanie aufzustellen.

Mit Reservisten war aus dem SPW-Zug eine SPW-Kompanie und aus dem Flak-Zug eine Flak-Batterie zu formieren.

Der Pionierzug (3. Kompanie) sollte dem Stab der Dienststelle unterstellt werden (Offizier Pionierwesen).

Übergang zur Sicherung und Vorbereitung zur Verteidigung

„Schulungsobjekt“ (7001)
Sofortige Verlegung einer Schützen-Kompanie und nach Abschluss der Aufstellung eine Schützen-Kompanie aus Reservisten.

„Ausbildungsobjekt“
Sicherung durch eine Schützen-Kompanie
Organisierung der Aufnahme und der Ausrüstung von eintreffenden Reservisten sowie Formierung zu Einheiten bzw. Zuführung zu Bereichen.
Einrichtung des Anlaufpunktes für dem Minister unterstellte Organe und Einrichtungen
Vorbereitung eines Hubschrauberlandeplatzes und die Bildung von gepanzerten Begleitgruppen aus dem Bestand der zu formierenden SPW-Kompanie.
Die aus den Bezirken eintreffenden Führungskräfte zum und vom Minister sicher transportieren sowie den Ort der Führungsstelle verschleiern.

„Ausbildungsgelände“
Erste Sicherung durch diensthabende Wache.
Nach Aufstellung einer zweiten Schützen-Kompanie aus Reservisten Verlegung zum Objekt 7011 und Beginn der weiträumigen Sicherung.

Weitere Truppenteile
17. VP-Bereitschaft im Unterbringungsraum nördlich Biesenthal
VP-Bereitschaft (mob.) ohne Nr., d.h. nur ein geplanter Unterbringungsraum, ostwärts Tiefensee
Nachrichten-Bereitschaft mit der Aufgabe Richtfunk- und Funkgerätesätze im Raum ostwärts der Objekte 7001/7011 zu entfalten. Für nicht entfaltete Elemente war ein Unterbringungsraum westlich der Kaserne der Sicherungseinheit eingeplant (ursprünglicher Ort der 7001).

Heutiger Zustand

Das Objekt in Freudenberg und bei Gielsdorf wird von einer Paintball-Gruppe genutzt. Das Objekt 7001 (Freudenberg) kann in unregelmäßigen Zeitabständen geführt besichtigt werden. Das Objekt bei Tuchen-Klobicke wurde bis auf einen Bunker verfüllt. Ein Bunker dient als Fledermausquartier.
Die Bunker in Freudenberg wurden im ZDF in der Sendung „Abenteuer Wissen“ am 9. November 2005 gezeigt. Dargestellt wurde ein nicht zutreffender Zweck (Nachrichtenzentrale)

 

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